Vom Blackout und der Dunkelflaute

 

Der Übergang in neue Energiesysteme war in der Geschichte immer gleichzeitig durch Ängste und große Hoffnungen geprägt. Von den ersten Elektrizitätsanwendungen über die ersten großen Talsperren zur Wasserkraftnutzung um 1900 bis hin zu den Kernkraftwerken der 1960er und 1970er Jahre. Und das gilt auch für die bereits Jahre währenden Debatten über den notwendigen Wandel von einem fossil-nuklearen zu einem klimafreundlichen regenerativen Energiesystem. Kritiker*innen dieses Wandels warten dabei mit Szenarien auf, die zielgerichtet Ängste schüren und Desinformation betreiben. Der Grund dafür liegt in der Bewahrung und Verteidigung von bereits getätigten Investitionen und Machtpositionen der etablierten Energielobby. Die Energieversorger setzten jahrzehntelang lieber weiterhin auf die bewährten nuklearen und fossilen Energietechnologien als eine karbonarme Stromproduktion voranzutreiben. Die Politik beförderte dies in den letzten 20 Jahren mit einem wankelmütigen Zickzack-Kurs. Und so liest man in Zeitungen und digitalen Medien immer wieder von Blackouts und Dunkelflauten, die an dieser Stelle als Beispiele für Drohkulissen herausgegriffen werden sollen. Der Umstieg auf erneuerbare Energien werde dramatische Blackouts, also flächendeckende Stromausfälle, hervorrufen, die Deutschland als industriellen Standort gefährden. Mit verantwortlich dafür seien sogenannte Dunkelflauten, tagelang währende Perioden, in denen weder der Wind weht noch die Sonne scheint.

Auch in Roßdorf haben wir 2015 mit den beiden Windenergieanlagen am Tannenkopf mit dem energetischen Umbau vor Ort begonnen. Und auf dem Weg zur kommunalen Klimaneutralität bleibt noch viel zu tun.

Doch wie steht es tatsächlich um die Blackoutgefahr und kann uns eine Dunkelflaute die Stromernte verhageln?

Das Titelbild zeigt den Bau eines der beiden Windräder am Tannenkopf in Roßdorf

Lobbyisten der in Deutschland sehr einflussreichen etablierten Energiebranche, vor allem die großen Vier (RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW) wollten uns lange glauben machen, dass es durch die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energien zu Blackouts kommen wird, die uns vermeintlich ins Chaos stürzen. Hintergrund ist die Frage der Versorgungssicherheit, die laut der Gegner*innen durch erneuerbare Energien nicht gewährleistet sei. Wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass diese Panikmache zu einer drastischen Verlangsamung des Ausbaus erneuerbarer Energien führte, die nicht nur die Marktposition der deutschen Wind- und Solarbranche schwächte, sondern auch viele Arbeitsplätze kostete und durch die Hintertür fossile Fakten schaffen wollte. Plötzlich begegnen uns wieder AKWs und Kohle- und Gaskraftwerke als Retter des energetischen Wandels.

 

Der Blackout als Bedrohungsszenario hat Tradition in Deutschland. So wurde in den 1970er Jahren zunächst der Bau von Kernkraftwerken mit diesem Argument vorangetrieben, danach der Ausbau von Kohlekraftwerkskapazitäten und jüngst dient er zur lobbygetriebenen Diskreditierung der erneuerbaren Energien.

Zur Sortierung aktueller Gemengelagen kann ein Blick in die Geschichte hilfreich sein. Schaut man sich vergangene Blackouts in Deutschland an, so zeigt sich, dass diese nicht mit spezifischen Energieträgern (fossil, nuklear oder erneuerbar), sondern vielmehr mit beschädigter oder veralteter Netzinfrastruktur zusammenhingen, beispielsweise durch starke Schneefälle im Winter 1978 oder 2005 durch die Abschaltung einer Hochspannungsleitung im niedersächsischen Papenburg zur Durchfahrt des Kreuzfahrtschiffes Norwegian Pearl. Bei letzterem Ereignis zeigte sich ganz unabhängig von bestimmten Energieträgern, dass die 30 bis 50 Jahre alten Stromnetze (zu diesem Zeitpunkt noch fossil geprägt) dem zunehmend transnationalen und flexibilisierten europäischen Strommarkt nicht mehr standhalten.

Die Rede von der Dunkelflaute zielt in die gleiche Richtung. Dabei stehen Wind- und Solarenergie stellvertretend für ein erneuerbares Energiesystem. Es werden Ängste mit der Vorstellung geschürt, dass die Stromversorgung an wind- und sonnenarmen Tagen zusammenbreche. Tatsächlich werden in dieser Erzählweise wichtige Komponenten eines erneuerbaren Energiesystems unterschlagen. Wind- und Solarenergie stehen nicht alleine, sondern funktionieren in Kombination mit Biomasse, Wasserkraft, kurz-, mittel- und langfristigen Speichertechnologien (bspw. Strom in Wärme, Batterien, grüner Wasserstoff, Pumpspeicherkraftwerke) und nicht zuletzt mit digitalen intelligenten Netzen, die all jenes verzahnen. Diese Art der dezentralen Versorgung ist auf Flexibilität und Bedarf ausgerichtet und in diesem Sinne agiler als das etablierte träge zentralisierte System.

Zurück zu den Blackouts, in Deutschland gibt es Sicherungsmechanismen bei größeren Störungsereignissen der Stromversorgung. Das deutsche Stromnetz gehört zu den sichersten weltweit. Und wenn doch ein Blackout auftritt, hat die Bundesnetzagentur ein solides Katastrophenmanagement, das sie garantiert. Die Bundesnetzagentur hat die zentrale Aufgabe, „[…] die Sicherheit der leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität […]“ zu gewährleisten und dieser Aufgabe kommt sie auch nach.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss nun schnellstmöglich vorangetrieben werden. Auch in der kommunalen Entwicklung. Die Angst vor einem Blackout sollte hierbei keine Rolle spielen. Im Gegenteil, ein zögerlicher Ausbau der erneuerbaren Energien ist kontraproduktiv.

 

Für die Grünen: Nicole Hesse mit dem Redaktionsteam

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