Was passiert eigentlich gerade mit den vielen Schweinen, die nicht bei Tönnies geschlachtet werden können? Schließlich wurden im Werk in Rheda-Wiedenbrück täglich bis zu 30.000(!) Schweine geschlachtet. Ja, das ist weit weg, aber die Auswirkungen sind auch in unserem Landkreis nur 13 km von Roßdorf entfernt spürbar. Auf dem Hof Seeger in Otzberg leben über 3000 Schweine. Diese werden zwar größtenteils in Mannheim geschlachtet, es reicht aber auch nur für 10% der Eigenversorgung in Südhessen. „Wir brauchen Tönnies“ kann man im Echo Artikel lesen.
Und das alles verwundert nicht, wenn man sich die Zahlen ansieht. Im letzten Jahr wurden 55 Mio. Schweine geschlachtet. Das ist aber weitaus mehr als im nationalen Markt abgesetzt wird:
Der Fleischkonsum in Deutschland ist, wenn auch nur leicht, rückläufig. Trotzdem wird im Durchschnitt nach wie vor zu viel Fleisch gegessen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 300 bis 600 g Fleisch (inkl. Wurst und Geflügel) pro Woche, also ca. 23 kg im Jahresmittel. Der tatsächliche Konsum ist mit ca. 60kg pro Jahr allerdings fast dreimal so hoch.
Der eigentliche Grund für die Billigpreise im Fleisch, dem damit verbundenen zu hohem Konsum, sowie das ganze Tier- und Arbeiterleid ist aber politisch gewollt gewesen. So wurden, wie im letzten Artikel zu diesem Thema schon erklärt, vor einigen Jahren die Werkverträge eingeführt. Diese sowie ein paar weitere (un?) glückliche Umstände führten dazu, dass Deutschland innerhalb weniger Jahre vom Nettoimporteur zum Exportweltmeister von Schweinefleisch wurde.
Ein Fakt, der gerne unter den Teppich gekehrt wird. Denn Exportmeister wird man nicht, wenn einem die Tiere oder die Menschen, die mit den Tieren arbeiten am Herzen liegen.
Es geht auch anders: Das Beitragsbild zeigt, wie Tierwohl und Artenvielfalt auf dem Eichhof in Ober-Ramstadt direkt hinter dem Berg gelebte Realität sind..
Der unglaubliche Preisdruck, der den Weltmarkt beherrscht spüren auch unsere Landwirte vor Ort. Es gibt eine Ausnahme: der Eichhof in Ober-Ramstadt. Böse Zungen werten dieses Paradies für Tiere mit abfälligen Kommentaren als Hobby eines gut betuchten Rentners ab. Das ist unfair und wenig wertschätzend. Im Gegenteil, wir sollten uns freuen, dass es bei uns um die Ecke artgerechte Tierhaltung und eine Wertschätzung für die Natur gibt. Außerdem entstanden so Arbeitsplätze (auch für Roßdörfer) und im Hofladen kann man mit gutem Gewissen einkaufen.
Ja, er ist aufgrund des herrschenden Marktdrucks nicht wirtschaftlich und daher kann nicht jeder Landwirt so ein Paradies erschaffen. Deshalb sollten wir die Rahmenbedingungen und Prioritäten ändern.
Müssen wir wirklich für den Weltmarkt Fleisch produzieren? Wie viel nachhaltiger und tierfreundlicher wäre es, wenn Fleisch dort produziert würde wo es gegessen wird? Wie viele Tiere leiden und sterben auf den langen Transportwegen, die gerade wegen Corona bedingten Schließungen jetzt noch länger werden? So zieht nicht nur der Otzberger Schweinewirt Schlachtbetriebe in angrenzenden Nachbarstaaten in Erwägung.
Wir brauchen mehr Wertschätzung. Sowohl für unsere konventionellen Landwirte vor Ort als auch für die Utopisten. Und auch für unser Essen. Gerade mal 10% unseres Gehalts geben wir für Lebensmittel aus. Wir können als Einzelperson weder den Weltmarkt noch das „Zombiesystem“ (O-Ton Maja Göppel) unserer deutschen Wirtschaft ändern. Wir können aber die unterstützen, die sich dem entziehen. Z.B. mal im Eichhof oder auch anderen Hofläden einkaufen. Wegen immer strengeren Auflagen kämpfen diese genau wie die Familienschlachtbetriebe ums Überleben. Wir können neue Strukturen mitgestalten (z.B. Mitglied einer SoLaWi werden) und die unterstützen, die unsere Tiere und Natur wertschätzen. Billigfleischangebote im Supermarkt sollten wir links liegen lassen, denn hier findet keine Wertschätzung statt – auch nicht für uns selbst.
Für die Grünen: Katrin Rose mit dem Redaktionsteam
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